"Jake..“, flüsterte ich fast heißer.
- Dann wurde ich von einem Rufen unterbrochen.
„Nessie!“
Alice kam angelaufen, sie schien etwas aufgeregt. Zügig robbte ich mich unter Jacob vor und stand auf. Ich wusste, dass ich nun totsicher knallrot angelaufen war. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich wischte meine Hände an meiner Hose ab. „W-was ist denn A-Alice?“
Mir fielen fast die Worte und ich drohte mich schon bei so einem kurzen Satz zu verhaspeln.
„David kommt dich in fünf Minuten und zweiunddreißig Sekunden besuchen.“ war ihre Antwort. Mir klappte der Mund auf. „Oh.“
Mehr bekam ich nicht heraus.
„Es wäre ungut wenn er dich mit einem gigantischen Wolf sieht.“, erklärte sie kurz und sachlich. „Ja.. sch-schon klar.“
Dann nahm sie mich bei der Hand und brachte mich zurück zur Villa, wo sie mir kurzdrauf einige frische Kleider gab. Kaum hatte ich diese in windeseile angezogen sprühte sie mich mit Pafrüm ein. „Alice bitte was soll das?“
„Du stinkst nach Hund, ich denke das entgeht auch einer menschlichen Nase nicht.“
„Ja aber nach Parfüm stinken ist auch nicht so toll.“
„Das stinkt nicht, das duftet.“
„Nein, es stinkt, Alice.“
„Du enttäuschst mich. Musst du in solchen Punkten unbedingt nach deiner Mutter kommen?“
„Was?“, fragte ich mit einem leicht bissigen Unterton. Sie verdrehte nur die Augen und schob mich dann zur Tür hinaus und die Treppe hinunter.
Dave saß bereits im Wohnzimmer auf dem weißen Sofa. Er wirkte beklemmt und unsicher, so dass mir nun ein vollkommen neues Bild geboten wurde.
„Hallo David.“, begrüßte ich ihn freundlich und ließ mich ihm gegenüber nieder.
Einen kurzen Moment konnte ich einen Anflug von Enttäuschung in seinem Gesicht entdecken, doch dann setzte er wieder sein Lächeln auf.
„Ich dachte ich statte dir mal einen Besuch ab.“
„Danke. Das ist wirklich lieb von dir, Dave. Es geht mir auch schon wieder recht gut.“
„Das merkt man. Du wirkst sehr zufrieden.“
Ich lächelte nur zurück und er ergriff wieder das Wort. „Ah Moment!“
Er griff in seine Tasche und kramte eine dunkelrote dünne Schachtel hervor die er mir reichte. Ein Blick auf die Oberseite verriet mir das es sich um Pralinen handelte.
„Schokolade.“, kommentierte ich.
„Ja.“ antwortete mit einem etwas eingeschüchterten Unterton. „Schokolade macht Glücklich.“
Ich nickte. „Ja Schokolade ist Futter für die Seele.“ Dann legte ich die Packung neben mich.
„Und gibt es was Neues in der Schule?“
„Ähm.“ Er schüttelte den Kopf „Nein nicht wirklich.. aber du Ren?“
Er sah mich fragend an und antwortete mit einem leisen „Mh?“
„Erinnerst du dich noch an den Flyer?“
Ich brauchte wirklich einen Moment um die Erinnerung an den rosaroten Flyer hervorzukramen, dann nickte ich.
„Und?“
„Und was?“ fragte ich.
„Wirst du mit mir hingehen?“
Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Irgendwas in mir schrie wieder Nein, doch ich sagte zu.
„Gerne.“
Jetzt zog sich ein Grinsen über sein Gesicht.
„Super!“, sagte er freudig, dann erhob er sich. „Ich hol dich dann pünktlich um acht zuhause ab.“
Ich nickte zustimmend und begleitete ihn zur Tür, wo er sich mit einem Kuss auf die Wange von mir verabschiedete. Ich ließ es zu und winkte ihm hinterher bis sein silberner Wagen nicht mehr zu sehen war. Danach ging ich mit den Pralinen hinauf in mein Zimmer und legte sie auf meinen Schreibtisch. Ich hatte nicht wirklich vor sie zu essen, aber wegschmeißen konnte ich sie auch nicht.
Müde strich ich mir übers Gesicht. Was war nur los mit mir?
Mochte ich Dave wirklich? Wenn ja, warum blockte ich ihn dann mehr oder weniger ab? Wenn nein, warum sagte ich es ihm dann nicht einfach? Und was war das mit Jacob auf der Wiese?
Ich hatte keine Antworten. Alle Fragen blieben unbeantwortet und ich hoffte bald welche zu finden.
Den Rest des Tages lenkte ich mich mit Schularbeiten und meinem Laptop ab.
Erst als meine Mutter mich zum Abendessen rief ging ich runter zum Essen. Wie immer saßen alle am Esstisch obwohl nur Jakes Platz und meiner gedeckt waren. Er saß bereits da und widmete sich einem der vielen Hamburger die neben ihm auf einem Tablett kunstvoll aufgetürmt waren. Ich war mir sicher, dass Gebilde würde in sich zusammenfallen wie ein Kartenhäusschen, wenn er den falschen Burger herausziehen würde.
Ich wurde nur kurz begrüßt als ich mich setzte, offensichtlich war meine Familie gerade in diverse Diskussionen vertieft, wobei man sich hier nicht auf Eins konzentrierte. Jeder redete über dem Tisch hinweg mit jedem. Hier war die Schule das Thema, dort das Krankenhaus, wieder andere redeten vom Arbeiten. Auch Pläne für zukünftige Jagdausflüge konnte ich vernehmen, aber so wirklich verstehen tat ich nichts davon und so widmete ich mich lieber meinem Essen. Teilweise hasste ich es ein halber Mensch zu sein, weil ich immer wieder feste Nahrung zu mir nehmen musste. Ich hatte einen anderen Stoffwechsel als richtige Vampire und während meine Familie tage oder wochenlang ohne Blut auskam, musste ich täglich etwas zu mir nehmen. Da ich aber weder jeden Tag jagen noch die Blutbank leertrinken konnte, war ich gezwungen menschliche Nahrung zu mir zu nehmen. Esme und meine Mutter bemühten sich zwar nach Kräften mir immer wieder etwas neues (für menschliche Verhältnisse) leckeres oder ausgefallenes zu kochen, aber trotzdem schmeckte mir das Essen nie wirklich.
Der einzige Trost war wieder mal Jacob. Ich musste immerhin nicht allein am Tisch sitzen.
Doch während er Hotdogs, Hamburger, Pizza und anderes fettiges Zeug in sich hineinstopfte (und doch nicht mal im Ansatz Fett ansetzte), war ich trotz allem immer darauf bedacht gewesen leichte Kost zu mir zu nehmen.
An diesem Abend schmeckte mir das Essen aber ganz und gar nicht und das obwohl ich es schon mehrfach gegessen und für annehmbar befunden hatte.
Grimmig erhob ich mich, stellte meinen Teller auf die Spüle und öffnete den Kühlschrank.
Meine Flasche war fast leer. Kaum zwei große Schlücke und es herrschte gähnende Leere in ihrem Innern.
Hoffnungsvoll sah ich zu Carlisle. „Carlisle?“
Ich wusste ich musste nicht mehr sagen. Mein Blick sprach Bände und die leere Flasche in meiner Rechten tat ihr übriges.
Er lächelte mich vom anderen Ende des Tisches an.
„Bitte“, fügte ich hinzu.
Er seufzte. „Das ist nicht ganz fair, wenn du so lieb bittest, wie kann ich dir da einen Wunsch abschlagen?“
Ich musste kichern, wurde aber von Jacob unterbrochen. „Moment mal!“, meldete er sich mit leicht wütendem Unterton zu Wort. „Hieß es nicht eine Flasche pro Woche?“
Jetzt wurde ich auch sauer und stämmte die Arme in die Hüften. „Die Woche ist bald zu Ende.“
„Ja und? Bald heisst nicht, dass sie es ist ausserdem könntest du dich auch am Riemen reissen und wenigstens versuchen die Flasche nicht aufzubrauchen und die Finger davon zu lassen, Nessie.“
Ich funkelte ihn finster an. „Meine Essgewohnheiten gehen dich nichts an, Jacob Black.“
„Oh doch. Ich muss dauernd zusehen wie du Menschenblut süffelst!“
Mit großen Schritten ging ich auf ihn zu. „Dann guck doch einfach weg!“
„Das ändert nichts daran, dass ich weiß das du es trinkst.“
Jetzt begann ich bald zu kochen und brüllte ihn lauthals an.
„Wenn du nicht damit klarkommst, dass ich nunmal zur Hälfte ein Vampir bin, dann verzieh dich doch einfach!“
Jetzt sah er mich entsetzt an, ganz so als hätte ich ihm mit einem Spaten ins Gesicht geschlagen (von meiner Mutter wusste ich das Fäuste eventuell nicht ausreichen würden).
Ich wusste nicht was ich noch sagen sollte und knallte die Flasche neben ihm auf den Tisch. „Carlisle..“, grummelte ich und sah dabei ins Leere. „Vergiss die Flasche!“
Dann stampfte ich wütend nach oben in mein Zimmer und knallte die Tür hinter mir zu.
***
Als ich am morgen aufwachte, fühlte ich mich wieder steif wie ein Brett. Noch im Gähnen öffnete ich meine Tür, machte den ersten Schritt nach draußen – dann stolperte ich und fing mich gerade noch mit den Händen ab, ehe ich mit der Nase auf dem Flurboden landete.
Erst als meine nackten Füße etwas flauschiges berührten und ich mich letztlich umdrehte, erkannte ich das ich über den rostbraunen Riesen-Wolf geflogen war, der die Nacht anscheinend brav vor meiner Zimmertür verbracht hatte.
Ich hielt mich aber nicht damit auf, es in irgendeiner Weise fürsorglich zu finden.
Stattdessen begann ich wieder langsam innerlich zu kochen. Ich drehte mich auf den Rücken und tritt ihm mit meinen nackten Füßen einmal so fest in die Seite wie ich es schaffte.
Ich wusste, ich könnte ihm gar nicht ernsthaft wehtun, trotzdem winselte er auf.
„Tu nicht so, ich weiß genau das ich dir nicht wehgetan habe, du Fellberg!“
Dann erhob ich mich und stapfte in die Küche wo meine Mutter mir bereits ein Frühstücksei in der Pfanne bruzelte.
„Guten Morgen, Schatz.“ begrüßte sie mich wie immer freundlich ohne sich umzudrehen.
„Naja der Morgen ist alles andere als „gut“, Mum.“, grummelte ich zurück.
Lächelnd schob sie mir das Omelett auf den weißen Teller.
„Du solltest nicht so hart zu ihm sein, er nimmt sich das sehr zu Herzen.“
Ich verdrehte nur die Augen und nahm einen Bissen von meinem Ei. „Er nervt zur Zeit im wahrsten Sinne des Wortes tierisch!“
Sie seufzte. „Ich weiß was du meinst.“, antwortete sie verständnisvoll. „Aber er meint es nicht böse.“
Zügig nahm ich einige Gabeln hintereinander. „Mir ist es egal wie er es meint.“, gab ich zurück. „Er soll einfach aufhören so absolut nervig zu sein.“
Dann ging ich hinauf in mein Zimmer.
Als ich knapp zehn Minuten später mit meiner Schultasche wieder mein Zimmer verließ, stellte ich fest, dass Jacob noch immer vor meiner Tür lag. Er hatte sich nicht einen Zentimeter bewegt. Es fiel mir nicht gerade leicht und dennoch ignorierte ich ihn, stieg über ihn hinweg und lief die Treppe hinunter ohne ihn anzusehen.
Unten reichte mir meine Mutter mein Vesper. Ich nahm nicht immer was zu Trinken mit, aber nun war es einfach notwendig – um das Leben meiner Mitschüler wegen und um die Sicherheit meiner Familie und alle Geheimnisse die wir zu bewahren hatten.
Das was sich in meiner metallenen blickdichten Trinkflasche befand würde keine Kantine der Welt je verkaufen. Freudig nahm ich sie entgegen. Die ganze Flasche nur für heute – herrlich.
„Du weisst das du auch einfach noch eine Weile zuhause bleiben könntest, mein Kind“, erinnerte meine Mutter mich.
„Ich weiß, Mum. Aber ich halt es hier momentan einfach nicht aus. Ich brauche Abwechslung. Verstehst du?“
Sie setzte ein Lächeln auf. „Verstehe“
Ich nickte. „Danke.
Ich hab echt keine Ahnung wie du es den ganzen Tag zu Hause aushälst.“
Sie strich mir übers Haar. „Ach Schatz. Ich bin glücklich ein Teil dieser Familie sein zu dürfen und ich verstehe auch, dass das gerade alles für dich ein wenig viel ist.
Ich werde ja auch nicht immer zu Hause sein. Bald muss ich wieder nach Dartmouth. Aber noch ist es nicht so weit und du sollst wissen, dass du immer zu mir kommen kannst, ganz gleich was dich bedrückt.“
Sie küsste mich sanft auf die Stirn.
„Danke, Mommy.“, antwortete ich und umarmte sie herzlich.
Es dauerte einige Sekunden bis wir uns voneinander lösten und ich war mir fast sicher, wenn sie weinen könnte, hätte sie es jetzt getan – vor Freude. Ich spürte mit jeder Faser meines Körpers ihre Liebe und es viel mir schwer mein Zuhause jetzt so entschlossen zu verlassen, wie ich es noch vor wenigen Minuten hatte tun wollen.
Irgendwie schaffte ich es aber dann doch in mein Auto zu steigen und zur Schule zu fahren, wo ich mich mit meinen Mitschülern konfrontiert sah. Zu meiner Überraschung schien mein Vater alles derart gut hingebogen zu haben, dass ich nichtmal angestarrt wurde.
Einige kamen zwar zu mir und fragten wie es mir ginge und ob ich mich gut erholt hätte, aber sonst geschah nicht sonderlich viel.
Zu gern hätte ich gewusst was genau mein Vater meinen Mitschülern erzählt hatte, aber es wäre natürlich dumm von mir gewesen, wenn ich gefragt hätte.
Ich hoffte ich würde irgendwann selbst drauf kommen und eins und eins zusammenzählen können. Den ganzen Tag kam aber nichts zur Sprache, was ich hätte irgendwie als die Erzählung meines Vaters deuten können. Viel interessanter war in den Augen der jungen Leute hier die Party am Wochenende. Und da fiel mir dann wieder ein, dass ich David ja zugesagt hatte und geriet abermals ins Grübeln.
Ich wusste nicht was in meinem Innern vor sich ging. Ich wusste nichtmal ob das was ich da erlebte etwas war, was man generell in meinem – wohlbemerkt geistigen und naja nennen wir es mal „optischen“ - Alter erlebte oder ob dieses Durcheinander nur mir widerfuhr.
Als ich in der Cafeteria an meiner Flasche nippte fiel mir wieder ein, dass meine Mutter mal irgendwann erwähnt hatte, dass sie an ihrer Schule damals auch von fast allen männlichen Schülern umgarnt worden war. Aber auch jenseits der Schule war sie vom männlichen Werben nicht verschont gewesen. Jake war wohl auch in sie verliebt gewesen. Und was war mit mir?
Er konnte meine Mutter nicht haben, da diese sich für meinen Vater entschieden hatte, griff er jetzt einfach zu ihrer Tochter? Gab er sich mit „zweiter Hand“ zufrieden, weil er das Bessere nicht bekommen konnte? Oder mochte er mich um meinetwillen? Oder war es gar nicht die Liebe für die ich sie hielt und interpretierte sein Verhalten vollkommen falsch?
Aber moment.. was empfand ich eigentlich für ihn?
Ich war mit ihm aufgewachsen. Hatte mit ihm gespielt und gelernt. Als ich ein Baby war hatte er mich gefüttert, als ich heranwuchs war er mit mir Jagen gegangen. Er war immer für mich da gewesen. Er war mehr als ein Freund für mich. Aber war er wirklich so viel mehr?
„Ren!“
Mein Gedankengang wurde von einer bekannten Stimme unterbrochen. David.
Fragend sah ich ihn an.
„Was sitzt du hier denn so alleine rum?“, fragte er heiter.
Ich wusste nicht was ich antworten sollte und schwieg lieber.
Immernoch halb in Gedanken starrte ich an Dave vorbei. Am anderen Ende der Cafeteria blickte ich in das Gesicht meines Vaters.
Symbolisch packte ich meine Flasche wieder ein. Er sollte wissen, dass er mich nicht mehr länger bewachen musste. Ich würde schon zurecht kommen.
„Lass uns gehen, Dave“, sagte ich rasch, nahm seine Hand und verließ mit ihm den Raum. Ich spürte den Blick meines Vaters im Rücken und wieder regte ich mich auf, ständig von irgendwem bemuttert zu werden. Erst Jacob, jetzt mein Vater.
Gut, ich war vielleicht erst sieben, aber geistig und körperlich war ich schon viel weiter. Meistens kam ich mir vor, als wäre ich im Kopf sogar weiter als Jake, immerhin wühlte ich nicht nervös in anderer Leute Handschuhfächer herum.
Ich entschloss mich den Rest des Tages mit Hannah und Dave zu verbringen und meinem Aufpasser aus dem Weg zu gehen. Doch ich spürte seine Anwesenheit immer wieder.
Selbst wenn ich im Klassenraum saß fühlte ich mich beobachtet.
Nach der letzten Stunde stampfte ich zügig zu meinem Wagen und Dave folgte mir auf dem Fuß. „Ren.. Ren wo willst du denn so schnell hin?“
„Heim.“, antwortete ich bissig. „Ich muss etwas erledigen.“
„Aber Ren.“ Er verfolgte mich immernoch und hatte Mühe mit mir Schritt zu halten.
„Ich wollte doch noch was mit dir unternehmen heute.“
An der Autotür blieb ich stehen. Jake war nicht da.
„Es ist noch nicht Samstag“
Er seufzte. „Ich weiß, aber..“
„Also gut.“, antwortete ich. „Fahr mir hinterher.“
Sofort breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus und ich schloss die Autotür und fuhr los. Er würde schon nachkommen, da war ich mir sicher. Männer.
***
Im heimischen Hof stoppte ich mein Auto derart apruppt, dass ich den Motor fast abwürgte.
Innen steuerte ich zielsicher auf die Küche zu. Wie erwartet, traf ich hier fast alle auf einmal an. Meine Mutter und Esme lehnten an der Anrichte während Alice und Jasper gegenüber von Jacob am Tisch saßen. Jake war auf seiner Tischseite ganz alleine und hatte seinen Kopf auf den verschränkten Armen auf dem Tisch liegen. Er bewegte nur die Augen in meine Richtung, während alle Anderen ihren ganzen Kopf zu mir drehten.
Einen ganzen Moment lang sagte keiner etwas, dann wollte meine Mutter das Wort ergreifen.
„Schatz ist was -“
Ich unterbrach sie.
„Nein.“ antwortete ich fast schreiend auf die Frage, die ich sie nicht zu Ende hatte fragen lassen „Nein, Mutter es ist alles in Ordnung. Mit mir. Mit meinen Mitschülern.
Und genau aus diesem Grund ist es vollkommen überflüssig, dass ich von Vater permanent bewacht werde.“
Fragende und entsetzte Blicke waren auf mich gerichtet.
„Ich bin kein Kind mehr!“
Ich machte meinem Unmut Luft und schleuderte meine Tasche quer durch den Raum. Obwohl jeder dazu in der Lage gewesen wäre fing sie niemand auf und so knallte sie mit einem lauten Schlag gegen die geflieste Wand unter der Dunstabzugshaube.
„Das wissen wir doch.“, versuchte meine Mutter mich zu beruhigen.
Aber ihre Worte beruhigten mich nicht. „Unsinn. Warum vertraut ihr mir dann nicht?
Ich will doch einfach nur meine Leben leben.“
Ich hatte den Satz kaum beendet da hörte ich wie die Haustür aufging. Es war nicht Dave, denn schon spürte ich einen Luftzug und neben mir stand mit einem Mal mein Vater und musterte mich aufmerksam. „Was sollte das?“, fragte er ruhig.
Ich schloss die Augen. Unterdrückte den Drang die Küche zu zerhacken.
Dann öffnete ich sie wieder und starrte meine Familie rund um den Tisch mit großen Augen an. Ohne mich abzuwenden zeigte ich kurz auf meinen Vater zu meiner Linken.
„Da habt ihrs doch! Ich kann ja nichtmal nach Hause fahrn ohne das er gleich denkt es sei was passiert!“
„Im Grunde ist es das ja auch.“, antwortete mein Vater immernoch ruhig und beherrscht wie eh und je. „Renesmee wir wollen doch nur das du nichts tust was du später bereust. Es ist noch nicht lange her, da hättest du fast einen Mitschüler angefallen.“
„Mag sein.“, sagte ich. „Aber jetzt habe ich mich im Griff. Muss ich jetzt für den Rest meines Lebens unter Beobachtung stehen?
Daddy ich bin kein unberechenbarer Kampfhund!“
Vom Tisch hörte ich jetzt ein empörtes Schnauben auf der rechten Seite und wendete meinen Blick in die Richtung aus der es kam.
„Du kannst still sein, Jacob.“, ließ ich barsch verlauten. Im Bruchteil einer Sekunde später stand ich schon neben meiner Schultasche und hatte meine Flasche rausgezogen.
„Weisst du was das ist?“, fragte ich herausfordernd.
Er lächelte mich bitter an, sagte aber nichts. Als ich die Flasche zum Mund führte schüttelte er kaum merklich den Kopf.
Genüsslich nahm ich einen großen Schluck. „Ha.. lecker. Null Negativ. Einfach wundervoll.“
Ich schloss kurz die Augen und ließ den roten Saft meine Kehle hinab laufen, dann sah ich Jake wieder an. Seine Augen waren weit aufgerissen, er zitterte und seine Lippen bebten, aber es wirkte nicht so auf mich als müsste er sich beherrschen um sich nicht zu verwandeln, viel eher wirkte er auf mich wie jemand der kurz davor war zu weinen.
Mit einem Mal spürte ich einen Stich im Herzen. Als hätte jemand ein Fleischermesser durchgebohrt. Was tat ich hier eigentlich? Was um Himmels willen war in mich gefahren?
Ich wollte doch niemandem weh tun. Weder meiner Familie noch Jacob, der ja auch zu meiner Familie gehörte und jetzt fühlte ich mich wie der Teufel in Person.
Jetzt unsicher, ließ ich meinen Blick durch die Küche schweifen. Fast alle starrten mich entsetzt an. Meiner Mutter und Esme standen sogar die Münder offen.
Nun musste auch ich die Tränen unterdrücken. Zügig nahm ich meine Schultasche und stürmte an allen vorbei nach draußen.
Dort wartete schon David in seinem silbernen Wagen auf mich. Ich stieg ohne viel Worte ein und fuhr mit ihm davon...
- Ende Kapitel 06 -
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