Als ich in Alices Zimmer auf dem ledernen Stuhl saß, glaubte ich ich müsste mindestens drei Tage warten, ehe sie aus den Massen an Klamotten die sie da hatte etwas Passendes für mich gefunden hatte. Offenbar hatte Alice aber schon eine derart genaue Vorstellung von ihrem „Endergebnis“ - einer rausgeputzten Version von mir – das sie es schaffte binnen weniger Minuten alles Nötige zusammen zu suchen.
Ich konnte jede Menge Kosmetika sehen von zig verschiedenen Eyelinern über ein Sammelsurium von Lidschatten bis hin zu diversem Schmuck, Haarstyling-Accessoires und natürlich meinen eigentlichen Klamotten.
Knapp eine Stunde vor Acht war sie endlich zufrieden mit meinem Aussehen und ich konnte es kaum abwarten mich im Spiegel zu betrachten, obwohl ich mir irgendwie blöd vorkam. Ich hatte eigentlich nicht vorgehabt total aufgetackelt zu meinem ersten Date zu gehen.
Ich musste zweimal hinschauen ehe ich erkannte das ich das hübsche Mädchen im Spiegel war. Gut ich war mit dem Wissen aufgewachsen aussergewöhnlich schön zu sein, aber das hier übertraf das alles nocheinmal. Alice war eine wahre Künstlerin was das anging.
Meine Locken waren verschwunden, stattdessen sah ich langes fließendes bronzefarbenes Haar , welches sich nur an den Spitzen kunstvoll kräuselte. Meine Augen hatte sie perfekt betont und meine helle Hautfarbe war nicht mehr ganz so blass, sondern besaß nun geschickte Akzente an genau den passenden Stellen. Alles in allem war mein Make-up zwar gut sichtbar, jedoch nicht zu aufdringlich.
Dazu hatte sie mir ein schönes hellblaues Satin-Kleid verpasst, dass wunderbar zu meinen Haaren passte. Es war zwar nicht so extrem eng anliegend umspielte jedoch perfekt meinen Körper. An den Füßen trug ich silberne Schuhe mit leichten Absätzen.
„Und?“ Alice wartete offenbar auf eine hörbare Reaktion. Bisher hatte ich mich nur stumm im Spiegel betrachtet.
„Ähm.. Wow.. Alice du bist Wunderbar. Das ist einfach traumhaft“
Alice strahlte. „Wirklich? Oh ich wusste doch das es dir gefallen würde. Der Kerl kann dir jetzt gar nicht mehr widerstehen“
Ich versuchte mein Lächeln aufrecht zu halten. Wollte ich das überhaupt?
„Na komm lass uns runter gehen“
Ich nickte zaghaft.
Zusammen mit Alice ging ich dann wieder runter ins Wohnzimmer wo meine Familie schon gespannt gewartet hatte. Sofort verrieten mir ihre Blicke, dass sie alle genauso begeistert von meinem Outfit waren wie ich es war.
Nur Jacob lehtne an der Wand und starrte grimmig zu Boden.
Ich hatte kaum Zeit ihn ordentlich anzuschauen, da stand schon meine Mutter vor mir und reichte mir eine kleine silberne Tasche.
„Hier“, sagte sie sanft. „Da ist alles drin was Frau so für ein Date braucht“
„Danke“, antwortete ich. Ich empfand keine große Lust rauszufinden was sie mir ausser Taschentüchern noch so alles eingepackt hatte und ließ das Täschchen lieber zu.
Ein Blick auf unsere große Uhr verriet mir, dass es nur noch knapp eine halbe Stunde bis Acht war.
„Es ist wohl soweit“ Mein Vater sah sehr zuversichtlich aus.
„Ja, ich werde dann mal gehen. Wünscht mir Glück“
Rosalie umarmte mich kurz. „Unsinn, ein hübsches Ding wie du hat kein Glück nötig. Der Einzige der Glück hat ist der Kerl“
Da musste ich kichern. „Danke“
Langsam und schon etwas nervös schritt ich zur Tür, die Blicke meiner Familie im Rücken.
Ich dachte sie würden nun nichts mehr sagen, da vernahm ich eine mir so bekannte raue Stimme. „Warte. Ich fahre dich“
Ich nickte, drehte mich aber nicht um und lief zur Tür hinaus.
Auch als ich ins Auto stieg und während der Fahrt wagte ich es nicht ihn anzuschauen.
Als wir letztlich beim Schulgelände hielten, brach er die Stille.
„Du siehst wunderschön aus“
Vorsichtig warf ich ihm einen Blick zu. Es war dunkel, die wenigen Straßenlaternen hier erhellten den Wagen kaum und ich konnte nicht so richtig den Ausdruck in seinem Gesicht erkennen. Ich spürte jedoch, dass er sehr bedrückt war.
„Danke, Jake“
Ich stieg aus dem Auto und schloss die Tür hinter mir. Er sah mir noch kurz nach, dann fuhr er wortlos davon.
Unsicher schritt ich über das Pflaster. Meine Schuhe machten bei jedem Schritt ein klackernedes Geräusch und schon bald erkannte ich am Eingang unserer Schule eine Silhouette. Bei genauerem Hinsehen sah ich, dass es Dave war, der lächelnd auf der untersten Stufe stand. Die Hände hatte er hinter dem Rücken versteckt.
Als ich näher kam verwandelte sich sein Lächeln zu einem erstaunten Gesichtsausdruck.
„Wow. Ren du siehst atemberaubend aus“
Ich merkte wie ich leicht rot wurde, obwohl ich das heute schon mehrfach gesagt bekommen hatte. „Danke“
„Nichts zu danken“, antwortete er und reichte mir den Strauß Blumen den er hinter dem Rücken versteckt hatte. „Bitte sehr schöne Frau“
„Gelbe Rosen?“
Er grinste. „Jap. Ich dachte Rote wären dir vielleicht unangenehm, also hab ich mich für gelb entschieden“
Ich lächelte nur und war froh, dass er so entschieden hatte.
„Na dann“
Strahlend reichte er mir seinen Arm zum einhaken, dann gingen wir zusammen ein paar Minuten durch die Stadt.
Es war relativ wenig los, dafür das es Samstagabend war. Ich sah nur wenige Jugendliche und ein paar Ältere unseren Weg kreuzen.
„Ist es hier immer so leer?“
„Samstags schon. Vor einigen Wochen hat hier im Ort eine Disco aufgemacht. Die Erste seit Jahren. Die Letzte ist vor langer Zeit abgebrannt. Brandstiftung. Sie nennt sich „Just4You“ und ist gerade der angesagteste Ort hier. Naja eigentlich hat es hier nie wirklich viel gegeben was man als junger Mensch hier machen kann und den Meisten kam diese Disco ganz gelegen...
So da wären wir“
Wie blieben vor einem kleinen weißen Gebäude stehen. Es hatte schnörkelige Verzierungen an den Wänden und eine Treppe aus glattem schwarzen Mamor.
„Hier? Bist du verrückt, das ist doch sicher sauteuer“
Er lachte. „Ach was. Für eine besondere Frau wie dich nur das Beste“
Ich wusste nicht mehr was ich noch sagen sollte und ließ mich nun in das noble Restaurant führen. Sofort wurden wir Willkommen geheißen, unsere Jacken wurden uns abgenommen und wir wurden zu einem Zweier-Tisch in einem ruhigen Eckchen geführt, wo uns eine Kellnerin die Speisekarte servierte und nach Getränken fragte.
Als sie wieder weg war, begann ich aufmerksam die Karte zu studieren.
Neben Hummer und Hirsch gab es glücklicherweise auch „normales“ Essen und ich fragte mich ob es nicht vielleicht irgendwie peinlich wäre in einem todschicken Restaurant wie diesem hier normale Pasta zu bestellen.
Dave klappte nach wenigen Minuten schon seine Karte zu und bedankte sich für die Getränke die wir an unseren Tisch gestellt bekamen.
„Haben Sie schon entschieden?“
Die Kellnerin hatte eine sehr angenehme freundliche Stimme und schenkte uns ein strahlendes Lächeln. Ihre blonden Haare waren kunstvoll mit vielen kleinen Haarspangen an ihrem Hinterkopf befestigt und sie trug ein schwarz-weißes Kostüm mit einer Schürze die allem Anschein nach sogar aus Satin war und das Logo des Restaurants trug.
Dave nickte mir zu und deutete mir so an, dass ich zuerst meine Bestellung aufgeben sollte.
Perplex wie ich war und unsicher ob meine Wahl nicht lächerlich war, ließ ich ihm den Vortritt.
„Ich kriege die Spaghetti Bolognese“
Erstaunt blickte ich ihn an.
Die Bedienung ließ nicht mal im entferntesten das Gefühl aufkommen, dass die Bestellung seltsam war und so wagte ich es nun auch meine zu nennen.
„Lasagne Al Forno bitte“
Sie nickte und gab die Bestellung in ihren kleinen schwarzen Computer ein. „Haben Sie sonst noch einen Wunsch?“
Dave war mir einen fragenden Blick zu. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, danke“
Während wir auf unser Essen warteten unterhielten wir uns über gewöhnliche Themen wie Schule, Lehrer und Mitschüler. Ich war überrascht, dass ich so gut mit ihm reden konnte und sehr erleichtert, dass er keine ernsteren Themen ansprach.
Als wir schließlich unsere Pasta aßen blieben eh kaum Möglichkeiten sich noch über all zu komplexe Themen zu unterhalten.
Die Lasagne schmeckte hervorragend. Natürlich kam sie bei weitem nicht an Tierblut und in dreihundert Jahren nicht an den unvergleichlichen Geschmack menschlichen Blutes heran, aber für gewöhnliche Nahrung mundete es mir erstaunlich gut.
Und auch Dave schien es zu schmecken. Als die Kellnerin gegen elf Uhr ihr Trinkgeld bekam betonte er noch mehrmals wie wunderbar das Essen geschmeckt hatte, dann half er mir zuvorkommend auf und reichte mir meine Jacke.
Als wir hinaustraten wollte ich gerade in Richtung Schulgelände laufen, da nahm Dave meine Hand. „Warte Ren. Nicht da lang“
Ich runzelte die Stirn.
„Komm“ Mit diesen Worten führte er mich eine Straße weiter. Als er auf den Knopf an seinem Autschlüssel drückte blinkte ein silberner Wagen an der Straßenseite.
„Achso du hast hier geparkt“
Ich stieg in seinen Wagen ein und schloß die Tür.
„Ja“, antwortete er, während er sich den Gurt anlegte und den Schlüssel ins Zündschloss steckte. „Ich kann dich doch nicht bei der Kälte durch die Gassen führen“
Er lachte lauthals und ich stimmte etwas leiser mit ein.
Da er nicht genau wusste wo ich wohnte musste ich ihm ab einem bestimmten Punkt der Strecke den Weg weisen, dann hielten wir in unserer Einfahrt.
„Der Abend mit dir war sehr schön“
Und so wie ich es sagte meinte ich es auch.
„Ja, wunderschön“, gab er sanft zurück.
Dann gab ich ihm rasch ein Küsschen auf die Backe, stieg aus und lief ins Haus.
Ich war mir sicher, dass selbst bei normalen Familien alle Leute gespannt wach geblieben wären um zu schauen, wie das erste Date nun ausgegangen war.
In einer Familie in der kaum einer überhaupt schlief war es umso wahrscheinlicher ein Empfangskomitee zu bekommen.
„Hallo allerseits“, begrüßte ich die Neugierigen als ich durch die Tür kam.
Meine ganze Familie stand nun da, lächelte mich an und wollte mich wohl am liebsten mit Fragen überhäufen. Glücklicherweise behielten sie diese jedoch für sich.
Mir fiel auf das einer fehlte.
„Wo ist Jacob?“
„Der ist schon relativ früh schlafen gegangen“, antwortete mein Vater.
Ich nickte nur kurz.
„Ich werde jetzt auch gehen, war ein langer ereignisreicher Abend. Gute Nacht“
Als ich die Treppe hinauf ging vernahm ich mehrere „Gute Nacht Nessi“s und zwei „Gute Nacht Schatz“es
Obwohl es schon ein Uhr Nachts war entschloss ich mich noch zu duschen.
Als ich mir meine Schlafsachen angezogen und mir ein Handtuch um die nassen Haare gebunden hatte, lief ich möglichst leise in den Flur. Unten konnte ich wie immer den Fernseher und einige angeregte Unterhaltungen hören.
Ob es dabei auch um mich ging, interessierte mich in diesem Moment ausnahmsweise nicht.
Ich lief schnurstracks die Treppe hinunter und wollte möglichst unauffällig ins Erdgeschoss unserer Villa.
Das man mich bemerken würde war mir klar, aber es sagte keiner was und ich hatte auch keine Lust irgendwas zu sagen, daher war ich mal wieder froh über das Schweigen.
Viel Gerümpel hatten wir nicht und so war in dem riesigen Kellergeschoss nur ein einziger kleiner Raum in dem alte Sachen lagerten. Meine Familie hatte die Angewohnheit regelmäßig ihre Möbel zu entsorgen und zu verkaufen um sich neue zuzulegen. Niemand hatte Lust viel Zeugs zu lagern. Neben der „Gerümpelkammer“ wie Rosalie sie immer nannte, hatten wir hier unten sogar einen kleinen Whirlpool und eine Sauna.
Beides weitgehend unbenutzt. Sie waren schon hier gewesen, als wir eingezogen waren. Im Keller hatte es auch mal einen Fitness-Raum gegeben, der hatte aber seine allererste Cullen-Nutzung nicht überlebt. Leider waren die Gewichte nicht für vampirische Kräfte gerüstet und so hatte Emmett es geschafft sämtliche Geräte innerhalb von nichtmal fünf Minuten total zu verschrotten. Jetzt lagerten wir hier unten nur noch geräuchertes Essen, Konservendosen und in einem separaten Schrank meine Lieblingsblutgruppe.
Als ich mich der hölzernen Tür am Ende des Kellers näherte, wurde ich etwas nervös.
Vorsichtig öffnete ich sie einen spalt und lugte hinein. Es war stockdunkel, aber auf diesen Fall war ich vorbereitet gewesen.
Ich zog eine kleine gelbe Kerze und ein Feuerzeug aus meinem Bademantel. Ich hätte stattdessen auch einfach eine Taschenlampe nehmen können, aber ich liebte die altmodischen Methoden. Eventuell hatte ich das von meinem Vater geerbt.
Das Kerzlein erhellte nur sehr wenig, aber ich konnte erkennen, dass das Bett leer war.
Zuerst dachte ich, er sei gar nicht da, da vernahm ich das Schnarchen.
Jake lag zusammengerollt in einer Ecke des Zimmers. Er war ein Wolf.
Mit einer langsamen fließenden Bewegung kniete ich mich neben ihm auf den Boden und stellte die Kerze ab, dann strich ich ihm über sein rotbraunes Fell.
Das Schnarchen hatte jetzt aufgehört, daher wusste ich das er wach war, dennoch waren seine Augen geschlossen und er gab keinen Ton von sich oder machte anstallten sich zu bewegen.
„Ach Jake“, sagte ich sanft und streichelte ihm dabei die riesige Schnauze. „Jetzt sei doch bitte nicht beleidigt“
Er brummte kurz und leise.
„Komm schon.. du weisst doch wie gern ich dich habe“
Ein kurzes Winseln war die Antwort.
„Ja... ich hab dich sogar sehr gern.“
Dann beugte ich mich zu ihm hinunter und gab ihm einen Kuss auf die feuchte Nase.
„Gute Nacht, Jake.“
- Ende Kapitel 03 -
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